Luisenstr. 21
Helma Kowalski wurde am 1. April 1929 in Lüdenscheid als Tochter von Werner und Charlotte Kowalski geboren. Ihre frühe Kindheit verbrachte sie in Lüdenscheid, bevor die Situation der Familie durch die politische Verfolgung des Vaters als kommunistischer Widerstandskämpfer nach 1933 immer schwieriger wurde.
1935 floh Helma zusammen mit ihren Eltern ins Exil nach Belgien. Die Familie lebte in Brüssel, wo Helma ihre Kindheit und einen Teil ihrer Jugend verbrachte. Aufgrund der Emigration aus Deutschland, der Ausbürgerung durch die nationalsozialistischen Behörden und der Flucht vor der Verfolgung war ihr Lebensweg von Unsicherheit und existenziellen Sorgen geprägt. In Belgien wurde Helma noch vor dem Zweiten Weltkrieg die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Nach dem deutschen Einmarsch in Belgien im Mai 1940 wurde ihr Vater Werner von den Behörden verhaftet und nach Frankreich verschleppt, wo er 1943 ermordet wurde. Helma und ihre Mutter Charlotte überlebten die NS-Besatzungszeit und die Verfolgung dank der Hilfe von Freundinnen, Freunden und Unterstützerinnen im Untergrund. Nach Kriegsende kehrten beide nach Deutschland zurück.
Über Helmas Schulzeit in Lüdenscheid oder im Exil sind in den einschlägigen Biografien und Stolperstein-Quellen keine näheren Angaben überliefert. Ihr Lebensweg steht exemplarisch für das Schicksal vieler Kinder, die durch politische Verfolgung, Flucht und Exil entwurzelt wurden.
Exkurs - Der Kommunistische Widerstand gegen die Nationalsozialistische Herrschaft
Der kommunistische Widerstand gegen die NS-Herrschaft begann unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 und zählte zu den am heftigsten verfolgten Oppositionellen im Dritten Reich. Trotz massiver Repressionen und der schrittweisen Zerschlagung der Strukturen leisteten Kommunistinnen und Kommunisten über die gesamte Zeit der NS-Diktatur hinweg aktiven Widerstand, oftmals unter Lebensgefahr.
Hintergrund und erste Phase des Widerstands
Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) galt für das NS-Regime als einer der gefährlichsten Gegner. Bereits im Frühjahr 1933 wurden ihre Führungskreise verhaftet, Zeitungen verboten und zahlreiche Mitglieder inhaftiert oder ins Konzentrationslager deportiert. Der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurde von den Nationalsozialisten als Vorwand genutzt, um die KPD rigoros zu bekämpfen und politische Rechte massiv einzuschränken.
Bis Anfang 1934 waren viele KPD-Strukturen zerschlagen. Der Widerstand verlagerte sich in den Untergrund, wo kleinere Zellen und Einzelpersonen illegale Arbeit fortsetzten:
- Verteilung regimekritischer Flugblätter und Zeitungen
- Anbringen von Parolen und Plakaten
- Unterstützung verfolgter Genossinnen und Genossen
- Organisation von Fluchthilfen und illegalen Netzwerken
Formen des Widerstands im Untergrund
Die gefährlichen Bedingungen zwangen die Kommunistinnen und Kommunisten zu konspirativem Wirken. Die Rote Kapelle beispielsweise war ein bekanntes Netzwerk, das Sabotageakte koordinierte, geheime Informationen sammelte und Fluchthilfe für Verfolgte organisierte. Regionale Gruppen in Städten wie München und Bielefeld blieben bis zum Ende des Krieges aktiv.
Die Widerstandsaktivitäten umfassten:
- Illegale Betriebszellen zur Sabotage der Rüstungsproduktion
- Verteilung von Informationen über „Feindsender“
- Hilfe für Jüdinnen und Juden sowie andere Verfolgte
- Widerstand durch Einzelpersonen im Geheimen, auch innerhalb von Konzentrationslagern
Der Werler Prozess 1936
Ein exemplarisches Beispiel für das harte Vorgehen der NS-Justiz gegen kommunistische Widerstandskämpfer ist der Werler Prozess von 1936.
Vor dem Landgericht Werl wurden zahlreiche Kommunisten aus Westfalen verurteilt. Den Angeklagten wurde u.a. „Vorbereitung zum Hochverrat“ und Anstiftung zur „Wehrkraftzersetzung“ vorgeworfen, vor allem durch die Verbreitung regimekritischer Flugblätter und Sabotageaufrufe.Die Polizei- und Gestapo-Ermittlungen zielten darauf ab, die Reststruktur des kommunistischen Widerstands in der Region zerschlagen. Die Prozesse wurden öffentlichkeitswirksam inszeniert, um abschreckend zu wirken. Viele Verurteilte erhielten langjährige Zuchthausstrafen oder wurden in Konzentrationslager überstellt.
Die Situation nach 1936 bis zum Krieg
Ab 1936 sowie mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wurde der Widerstand weiter erschwert. Verhaftungen, Bespitzelungen und Folter waren Alltag. Trotzdem arbeiteten viele kommunistische Zellen weiter im Verborgenen und versuchten durch Sabotage und Flugblattverteilung den Nationalsozialismus zu schwächen. Einzelpersonen halfen Verfolgten und versuchten, das Bewusstsein für die politische Wahrheit gegen das NS-Propagandaregime aufrechtzuerhalten.
Berühmte Beispiele für mutige Widerstandskämpfer aus verschiedenen Regionen und unterschiedlichen Motiven
- Franz Stenzer, Joseph Götz, Fritz Dressel, Wilhelm Franz (München)
- Heinz Eschen, der 1933 bei einem Protest erschossen wurde (München)
- Anna und Hans Bauer, die ausländische Literatur illegal verbreiteten (München)
- Adelheid Liessmann und Maria Reichenwallner, die Untergetauchten Unterschlupf gaben (München)
- Josef Amuschel (Bielefeld) und Heinrich Jung (Münster)
- Bernhard Bästlein, Franz Jacob (Hamburg)
- Liselotte Herrmann (Berlin)
Kommunistische Todesopfer aus Lüdenscheid
- Karl Alex (Brügge) Strafbataillon 999, gefallen 1944 (?).
- Otto Bregenstrod (Brügge) 1936 im KZ Esterwege ermordet.
- Hans Kolodzey (Brügge) Zuchthaus, vier Wochen nach Kriegsende an Auszehrung gestorben.
- Werner Kowalski (Lüdenscheid 8.1.1901 - Bassy/Frankreich 1.7.1943) Buchbinder, Stadtverordneter der KPD in Lüdenscheid, 1933/34 inhaftiert, organisiert kommunistischen Widerstand in Lüdenscheid, 1935 Flucht mit Frau und Tochter nach Belgien, organisiert Hilfen für Familien inhaftierter Kommunisten, 1938 Ausschluss aus KPD, Flucht nach Frankreich, inhaftiert, geflohen, auf der Flucht von SS erschossen.
- Otto Mannesmann (1900-1944) KPD-Sympathisant, von einem Sondergericht in Dortmund wegen Heimtücke verurteilt, im KZ Stutthof gestorben.
- Hermann Massalsky (Insterburg 13.8.1879 - Lüdenscheid 13.4.1945) Frisör, Soldat im Ersten Weltkrieg, Mitglied der KPD, 1934 verhaftet, 1935 zu 2 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus in Hamm verurteilt, Entlassung im Dezember 1937, berufstätig; am Tag der Befreiung Lüdenscheids wurde er wegen einer wehrkraftzersetzenden Äußerung von einem Zahlmeister der Wehrmacht am Wefelshohl erschossen.
- Oskar Schneider (1887-1940) 1936 vom OLG Hamm zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Er starb an den Haftfolgen.
- Ernst Thomer (1899-1942) 1936 vom OLG Hamm zu 3,5 Jahren Zuchthaus verurteilt, an den Folgen verstorben (Tbc).
- Alex Uessler (Solingen 11.5.1900 – Dortmund März/April 1945) Schleifer; 1932 Leiter der KPD Lüdenscheid; 1933 inhaftiert, 1934-1944 frei, 1944 wegen Kontakten zum kommunistischen Widerstand im September 1944 wieder in Haft, Steinwache Dortmund; im Rombergpark Dortmund erschossen.
- Alfred Wicker (1903-1943) 1936 vom OLG Hamm zu 4,5 Jahren Zuchthaus verurteilt, zur "Bewährung" eingezogen, 1943 vermisst.
Fazit
Der kommunistische Widerstand gegen die NS-Diktatur war trotz früher Zerschlagung und massiver Repressionen eine der beständigsten und ausdauerndsten Oppositionsformen. In zahlreichen kleinen Gruppen, Zellen und durch Einzelpersonen wurde die Herrschaft der Nationalsozialisten herausgefordert – oft unter dem Risiko von Verhaftung, Folter und Tod. Der Werler Prozess von 1936 und die Schicksale von Aktivisten wie Kurt Junghans und Hermann Massalsky veranschaulichen eindrücklich, wie brutal der Widerstand verfolgt wurde und welches Opfer die Widerstandskämpfer für einen demokratischen Wiederaufbau Deutschlands erbrachten.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Kommunistischer Widerstand in München 1933-1945 - NS-Dokumentationszentrum
- Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme
- Biografie Hermann Massalsky und kommunistischer Widerstand in Lüdenscheid
- Bundesstiftung Aufarbeitung: Kowalski (Dobler), Werner
- Gedenkstätte deutscher Widerstand: Bernhard Bästlein
- Gedenkstätte deutscher Widerstand: Franz Jacob
- Gedenkstätte deutscher Widerstand: Liselotte Herrmann
![]() Foto: Luisenstr. 2018; privat |