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Zum 20. Juli
Widerstand gab es auch in Lüdenscheid
Anwälte der Menschlichkeit: Lüdenscheider „Alltagshelden“
20. Juli 1944 - 20. Juli 2008
Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten viele Deutsche den Grafen Stauffenberg und die Männer des 20. Juli 1944, die ein – wenn auch missglücktes – Attentat auf Adolf Hitler geplant und ausgeführt hatten, für Befehlsverweigerer und Vaterlandsverräter. Die Sozialistische Reichspartei (SRP) erhielt 1951 in Bremen 7% und in Niedersachsen 11% der Wählerstimmen und die Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung schickte 12 Mitglieder in den Bundestag. Sie und viele andere hielten das Attentat der Offiziere auf Hitler auch 7 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur für verwerflich. Erst 1952 wurden derartige Aussagen für verfassungsfeindlich erklärt und ebenso die SRP.
Bis heute vergessen ist der Widerstand vieler sogenannter „kleiner Leute“. 75 Jahre nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler durch die Bevölkerungsmehrheit unter dem Einfluss gleichgeschalteter nationalkonservativer Meinungsmacher – z.B. auch durch den Lüdenscheider General-Anzeiger - bittet die Friedensgruppe Lüdenscheid um Mithilfe bei der Suche nach Lüdenscheiderinnen und Lüdenscheidern, die sich damals unter Einsatz ihres Lebens gegen die Nationalsozialisten eingesetzt haben.
- Schon 1933 stellten sich der katholische Hilfsschullehrer Theophil Walter und eine evangelische Hilfsschullehrerin gegen das Reichsgesetz, wonach Menschen mit Behinderungen zwangssterilisiert werden mussten. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14.7.1933 und das „Gesetz zur Bereinigung des Berufsbeamtentums“ zwangen alle Staatsdiener dazu, bei der Erfassung und Durchführung zum Zwecke der Zwangssterilisationen mitzuwirken. Hiergegen verweigerten sich die beiden Lehrer aus religiösen Gründen. Sie wurden daraufhin in die Pension entlassen. Der evangelische und der katholische Pfarrer stimmten ihrer Entlassung zu.
Gesucht wird nach weiteren Dokumenten und Fotos über die beiden Lehrer.
- Karl Klauke hörte in seinem Haus Feindsender und hatte einen Juden als Mieter. Sein im gleichen Hause bei ihm wohnender Schwiegersohn, er war SA-Mann, forderte ihn auf, den Juden „rauszuschmeißen“. Das lehnte Karl Klauke ab. Daraufhin zeigte ihn sein Schwiegersohn gemeinsam mit einem anderen SA-Mann an, woraufhin Karl Klauke wegen „Feindsender hören und Judenfreund“ zu 1 Jahr und 2 Monaten Zuchthaus verurteilt wurde. Nach Ende des 2. Weltkrieges sah Karl Klauke davon ab, dass sein Schwiegersohn und der andere SA-Mann zur Rechenschaft gezogen wurden.
- Der Jude Walter Süskind wurde in Lüdenscheid geboren. Nach verschiedenen Zwischenstationen reiste er im Verlauf der Judenverfolgung in die Niederlande aus. In Amsterdam wurde er vom Judenrat, der auf Befehl der deutschen „Ordnungskräfte“ handeln musste, damit beauftragt, wöchentlich jeweils einen Zug mit 1.000 Juden für den Arbeitseinsatz in Osteuropa zusammenzustellen. Bald schon wurde jedoch klar, dass diese Transporte nicht zum Arbeitseinsatz, sondern in die KZ und somit in den Tod führten. Walter Süskind gelang es, ca. 800 jüdische Kinder vor dem Abtransport zu bewahren. Sie wurden von Untergrundorganisationen der Niederländer aufgenommen und adoptiert. Walter Süskind wurde auch Opfer der Nationalsozialisten. Er starb im KZ Auschwitz. Viele Schulbücher der Niederlande, ein Jugendzentrum in Amsterdam sowie eins in Boston sowie eine Gedenktafel an einer Amsterdamer Brücke erinnern an Walter Südkind. Wann erfolgt eine angemessene Erinnerung an ihn in seiner Heimatstadt Lüdenscheid?
- Auf dem Balkan hat ein Lüdenscheider Soldat sich geweigert, Zivilisten zu erschießen. Deshalb wurde er von seinen „Kameraden“ erschossen.
Gesucht wird der Name und weiteres Material über diesen Lüdenscheider Soldaten.
- Aus Gewissensgründen lehnte Wilhelm Kusserow den Wehrdienst im 2. Weltkrieg ab. Als Zeuge Jehovas, damals Bibelforscher genannt, war er aus Glaubensgründen nicht bereit, im Krieg Menschen zu töten. Nach einem Bibelzitat muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Er wurde in Münster hingerichtet, wo an ihn seit 2002 eine Gedenkstele erinnert.
Die Friedensgruppe Lüdenscheid bittet alle Lüdenscheider/innen um Hilfe beim Auffinden weiterer Lüdenscheider „Alltagshelden“, damit sie deren Leben dokumentieren kann. Die schweren weltweiten Menschenrechtsverletzungen in Diktaturen und auch Demokratien nach 1945 zeigen, dass wir mehr Anwälte der Menschlichkeit benötigen. Die Lüdenscheider Vorbilder dürfen nicht vergessen werden. Sie müssen aufgenommen werden in das Bewusstsein aller Demokraten.
Friedensgruppe Lüdenscheid
Dieter Saal und Martin Sander
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