NS-Ideologie verdeutlichen
Am 2. Dezember 2013 wurde das Relief "Herkules im Kampf gegen die Hydra" Vertretern unseres Vereins übergeben. Das im Zuge der Arbeiten auf dem alten Krankenhausgelände an der Philippstraße durch den Förderverein Famo versteigerte Monument wird nach seiner Aufbereitung in den Ge-Denk-Zellen ausgestellt werden. Hintergrund ist die Versinnbildlichung der Irrwege nationalsozialistischer Ideologie gestern und heute. (im Bild v.r. Roland Rothmann, Willi Denecke und Matthias Wagner)
Entmündigung auf allen Ebenen
Das Denken der Zeit spiegelt sich deutlich in dem Relief von 1940, das
über dem Haupteingang des Krankenhausneubaus eingelassen wurde. Es zeigt das damalige Verständnis der Künstler und Mediziner von
Krankheiten. Sie wurden - wie in der Frühzeit der Menschen - als Wesen -
hier: Schlange - des Bösen angesehen, die mit dem Schwert zu bekämpfen
sind. Kranksein wird nicht zeitweise oder dauerhaft als Teil des
menschlichen Lebens verstanden, der dadurch zum Nachdenken und zur
Verantwortung angehalten wird, sondern als böser Feind, gegen den die
Medizin mit physischer Gewalt kämpfen muss. Der Patient gibt seine
Krankheit dem Mediziner, der sie bekämpft. Die Aufgabe der
Eigenverantwortung in der Medizin hatte ihr großes Vorbild in der
Politik, der man die Verantwortung für alles überließ. Die
Selbstentmündigung hatte mit dem Ermächtigungsgesetz des Reichstags am
März 1933 begonnen und war in alle Lebensbereiche der Deutschen
eingezogen. Die Mehrheit schaltete sich gleich und wurde
gleichgeschaltet. Menschen sahen sich gegenüber ihrer Aufgabe und der
NS-Regierung in der Verantwortung zur Pflichterfüllung, aber fragten
sich seltener auch nach der eigenen Verantwortung. So konnten mächtige
nationalsozialistische Denker und Politiker viel Unmenschliches mit der
(Selbst-)Unterwerfung der Mehrheit anrichten.

Entwertung des Lebens des Einzelnen...
Im Schulunterricht - z.B. in den Fächern Biologie, Mathematik und
Deutsch - gab es Aufgaben und Lehren gegen die Achtung und das
Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen.
Das neue Denken wurde auch von den NS-Krankenschwestern/
Reichsschwestern vertreten, denen 1937 die Stadt die Leitung des
Krankendienstes übertrug, der vorher von evangelischen Krankenschwestern
geleistet wurde.
Mit dem Kriegsbeginn am 1.9.1939 gegen Polen wurde das Leben des
Einzelnen entwertet, obwohl die Propaganda jeden zum Helden aufwertete.
Wer sich dem Kampf verweigerte oder nicht an ihm teilnehmen konnte,
wurde verachtet. Deshalb unterzeichnete Hitler im Oktober -
zurückdatiert auf den 1.9.1939 (Kriegsbeginn) - den Euthanasieerlass:
...mündete unweigerlich in der Euthanasie
"Reichsleiter Bohler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung
beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu
erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei
kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt
werden kann."
Zuerst wurde der Mord an Patienten der Landesheilanstalten vorbereitet.
Die für Lüdenscheid zuständige war in Warstein. Als die Ärzte und
Ordensfrauen Hinweise über die geplante Deportation und Tötung eines
Viertels aller Menschen mit Behinderungen im Deutschen Reich erhielten,
schrieben sie viele hundert Briefe an deren Verwandte, ihre behinderten
Familienmitglieder heimzuholen. Das gelang nur selten. So kamen viele
auf den Weg in die Mordeinrichtung Hadamar und der zugeordneten
Landesklinken. Dort wurden die meisten der 55 Lüdenscheiderinnen und
Lüdenscheider Opfer der Euthanasie durch Hunger, tödliche Medikamente
und Vergasung. Nach öffentlichem Protest - unter anderem den des
Bischofs von Galen aus Münster und des evangelischen Pfarrers Ernst Wilm
(1929-1931 in Lüdenscheid, ab 1931 Pfarrer in Mennighüffen) - wurde die
Mordaktion offizielle eingestellt. 70.273 Menschen wurden nach amtlichen
Angaben ermordet. Unter strenger Geheimhaltung wurde das Morden
fortgesetzt, auch z.B. in den Heilanstalten Polens. Heutige Schätzungen
gehen von mehr als 300.000 Getöteten aus.
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